PhilosophiePsychologie

Die Kinderseele und ihre Beeinflussung durch Erziehung

Mathilde Ludendorff mißt der Eigenart der Kinderseele und ihrer Beeinflussung durch die Erziehung eine große Bedeutung bei. Sie widmet diesem Thema ein eigenes philosophisches Werk: „Des Kindes Seele und der Eltern Amt“. Als kurze Einführung in das Werk bieten sich zwei kleine Schriften an: „Die Philosophie der Erziehung Mathilde Ludendorffs“ und „Kinderseele und Erziehung“. Einen ersten Eindruck daraus vermitteln die folgenden Textauszüge.

Aus: Die Philosophie der Erziehung Mathilde Ludendorffs:

1. Des Kindes Seele

Von Albert AnkerSotheby’s, Gemeinfrei, Link

(…) Erziehung ist Seelengestaltung; im engeren Sinne ist Erziehung das Wirken und Gestalten an der Kinderseele. Die Kinderseele mißzuverstehen ist das schlimmste Hindernis für eine fruchtbare Erziehungsarbeit, und so beleuchtet Mathilde Ludendorff zuerst die Gesetze der Seele des Kindes (S. 109, 111). Damit will sie der verhängnisvollen Verkennung des Kindes entgegentreten wie auch der verderblichen Vergötterung und Bewunderung des eigenen Kindes (S. 113). Mathilde Ludendorff unterscheidet im Kind drei nebeneinanderstehende unterschiedliche Wesen, die im Wechsel seine Seele beherrschen, und umschreibt diese unterschiedlichen Seelenverfassungen als: Gott, das Säugetierchen und das vernunftbegabte Menschlein im Kind (s. 115, 120). Diese Begriffe verdeutlichen formelhaft die besondere, wechselhafte Eigenart der Kinderseele. (…)

Der Gott im Kind – Damit ist die stärkere Gottdurchdrungenheit der Kinderseele gemeint, wenngleich das Kind noch ganz gottunbewußt ist. Die Kinderseele ist noch frei geöffnet für die Weltallweite der Umwelt und ihre Schönheit und Wahrheit (S. 118, 116). (…)

Neben dieser starken Gottdurchdrungenheit des Kindes steht unmittelbar „das kleine Säugetierchen“, mit den ungehemmten elementaren Forderungen seines Leibes. „Hunger, Durst, Zorn und Wut sehen wir in ihm in der gleichen Heftigkeit toben wie im unterbewußten Tier.“ (…)

Vom ersten Lebenstag an beginnt daneben das Werk der Vernunft, das „Begreifen“ der Umwelt, in einem allmählichen Erfassen und Ordnen der Erscheinungen. Auch tritt die Kinderseele immer mehr in die Formen des Denkens, in Zeit, Raum und die Gesetze von Ursache und Wirkung ein (S. 119). (…)

Vorfeiertag des Lebens
Die naturnotwendig lange Kindheit des Menschen bringt es mit sich, daß dem Menschenkind viele Jahre gewährt sind, in denen es versorgt und behütet wird und in denen es nicht durch eigene Leistung sein Leben sichern muß. Dadurch ist ihm eine jahrelange Ruhezeit gegeben, für die Mathilde Ludendorff den Begriff „Vorfeiertag des Lebens“ verwendet, in dem das Kind glückselig dahinleben kann. In diesem behüteten Zwischendasein zwischen Säuglings- und Erwachsenenalter, befreit von Zweckdienst und Sorge, kann sich die Kinderseele noch ihre Gottdurchdrungenheit bewahren und fällt nicht dem blanken Glücks- und Lustwillen des Selbsterhaltungswillens anheim, seiner Angst vor Leid und seinem Zweckdenken (S. 125, 126).
Durch die Gotterleuchtung in seiner Seele erfährt das Kind in seinen Kinderjahren einen wunderbaren Reichtum des Erlebens. Dies ist ein segensreicher Hort für gottnahes Erleben in den späten Jahren des seelischen Abstiegs beim Heranwachsen und für das Erwachsenenleben (S. 127). (…)

2. Der Eltern Amt

Mathilde Ludendorff geht davon aus, daß die Behütung der kindlichen Wesensart und die Erziehung am besten durch die Eltern und das Elternhaus gewährleistet sind. (…)

Als Richtlinie kann hier zusammenfassend gesagt werden:
Das seelische Gedeihen des Kindes bewirken und sein künftiges Lebensschicksal als Leitstern für die Aufzucht nehmen;
die Liebe zum Kind mit ihrer Beimengung von Eigenliebe und Eitelkeit auf sich selbst zügeln und das Kind nicht vergöttern und verwöhnen (vgl. 59, 68, 281; …).
Selbstbeherrschung und zuverlässige Gleichmäßigkeit des Erziehers, sowie unbedingte Achtung vor der persönlichen Würde des Kindes (der Stolz darf nicht verletzt werden) und liebevolles Eingehen auf das kindliche Wesen und die besondere Eigenart des einzelnen Kindes; schließlich
ständiges Prüfen des eigenen Erziehungsgebarens wegen der großen Gefahr der Selbsttäuschung.

Aus: Kinderseele und Erziehung:

Wie muß erzogen werden?

(…) Die Willenserziehung ist Hauptaufgabe der Eltern. Da sie ein Naturgesetz, nämlich den verloren gegangenen, weisen, tierischen Instinkt ersetzen muß, hat sie auch wie ein Naturgesetz zu erfolgen: absolut zuverlässig. Dazu wird der unvollkommene Selbsterhaltungswille des Kindes dem Willen des Erziehers vollständig untergeordnet.

Nur dann bleibt der Erzieher für das Kind glaubwürdig, wenn sein „Nein“ sowie die auf ein Nichtgehorchen folgende Strafe vom Kind ausnahmslos und selbstverständlich erlebt wird. Je besser seine Denk- und Urteilskraft entwickelt ist, desto eher wird es die Unterordnung einsehen. (…)

Straffe Willenserziehung ist mit hoher Verantwortung verbunden, denn unsittliche, den Stolz verletzende, dem Alter und der Reife nicht angemessene oder den Gott im Kind betreffende Befehle (und Strafen) dürfen nicht angeordnet werden. Diese Einschränkung, sowie die Zuneigung des Erziehers zum eigenen Kind bilden ausreichend Schutz gegen die Gefahr eines Machtmißbrauchs durch ihn.

Willenserziehung ist einfach und schwierig zugleich: einfach, weil sie eigentlich nur ein bestimmtes Gesetz befolgen muß (Konsequenz). Schwierig, weil sie die Anforderung an den Erzieher stellt, ausnahmslos gleichmäßig und zuverlässig zu bleiben, und, wenn notwendig, auch eigene Wünsche und Befindlichkeiten zurückzustellen. (…)

Quellen:

Alle drei genannten Quellen (Die Philosophie der Erziehung Mathilde Ludendorffs, Kinderseele und Erziehung, Des Kindes Seele und der Eltern Amt) sind im Verlag Hohe Warte erschienen und erhältlich).

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